Dauerbrenner: Äußerungen auf Social Media –  18.02.2025

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Meinungsfreiheit vs. Loyalitätspflichten - Vertraulichkeit in Chat-Gruppen

 

Immer wieder greifen Arbeitgeber zur Kündigung, wenn sich ihre Mitarbeiter in den sozialen Medien oder Chatgruppen kritisch oder unangemessen äußern. Arbeitgeber sehen darin einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht sowie eine Störung des Betriebsfriedens. Demgegenüber steht das Recht auf freie Meinungsäußerung, das als Grundrecht nicht nur in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetztes geschützt ist, sondern auch in Art. 10 der Europäischen Menschrechts Konvention (EMRK).

 

So verurteile der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2021 die Türkei zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von EUR 2.000,00 an eine Reinigungskraft eines Bildungsministeriums (EGMR 15.06.2021 – 35786/19) . Die Mitarbeiterin hatte bei Facebook zu 14 Beiträgen durch Betätigen des Gefällt-mir- Buttons ihre Zustimmung kundgetan. Die Beiträge enthielten Kritik an der Regierung und der Regierungspartei. Dies genügte dem Bildungsministerium, um der Mitarbeiterin fristlos zu kündigen. Die Kündigung hatte vor den türkischen Arbeitsgerichten Bestand. Der Europäische Gerichtshof sah darin eine Verletzung der durch Art. 10 EGMR geschützte Meinungsfreiheit. Das Arbeitsgericht habe insbesondere nicht geprüft, welche Wirkungen die Äußerungen der Mitarbeiterin haben konnten. So hat das Arbeitsgericht das Ausmaß der Verbreitung der Äußerung und deren Tragweite in der Öffentlichkeit außer Acht gelassen. Eine im Internet für wenige Leser verbreitete Äußerung kann nicht dieselbe Tragweite und Wirkung haben, wie eine Erklärung, die auf Internetseiten verbreitet wird, die der Allgemeinheit offensteht oder sehr stark besucht werden. Auch habe das Klicken des Gefällt-mir-Buttons nicht dasselbe Gewicht wie das Verfassen der Mitteilung selbst. Das „Gefällt mir“ bringt nur die Sympathie mit der Mitteilung zum Ausdruck und nicht den aktiven Willen, diese zu verbreiten. Tatsächlich konnte weder einer Störung des Betriebsfriedens oder eine Unruhe in der Belegschaft festgestellt werden. Mitarbeiter dürfen sich kritisch über ihren Arbeitgeber in den sozialen Medien äußern. Auch im öffentlichen Dienst ist bei Kritik an Regierung und Regierungsparteien kein anderer Maßstab anzulegen, zumindest so lange die Mitarbeiter keine Beamten sind.

 

Das Bundesarbeitsgericht hatte 2023 die Gelegenheit, zur Frage der Vertraulichkeit in privaten Chatgruppen Stellung zu nehmen (BAG 24.08.2023 – 2 AZR 17/23). Ein Mitarbeiter war Mitglied einer privaten siebenköpfigen Chatgruppe (Kollegen) und äußerte sich in einigen seiner Chatbeiträge in beleidigender, fremdenfeindlicher, sexistischer und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte sowie Kollegen. Er rief teilweise zu Gewalt gegen diese auf. 

Das Gericht betonte, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder von Arbeitskollegen, die eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Zwar bestehe auch bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen (Familie, enge Freunde) eine Vertraulichkeitserwartung. So sind die Umstände, unter denen die ehrverletzenden Äußerungen gefallen sind, zu berücksichtigen. Geschah dies im vertraulichen Gespräch unter Arbeitskollegen, können sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Eine solche Vertraulichkeitserwartung besteht jedoch nicht bei einer größeren Anzahl von Chatpartnern, sondern in der Regel nur bei einer Kommunikation mit ein oder zwei anderen Personen. Letztendlich kommt es auch auf den Grad der Äußerung an. Je gravierender die ehrverletzende, menschenverachtende oder zu Gewalt aufrufende Äußerung ist, umso weniger kann sich der äußernde Mitarbeiter auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen. Gerade bei Chatgruppen ist zu erwarten, dass ein Chatmitglied aus Entrüstung, moralischen Bedenken oder aus Prahlerei die Äußerungen an einen außenstehenden Dritten weitergebe. Letztendich konnte sich der betroffene Mitarbeiter auch nicht auf den Datenschutz berufen. Das BAG blieb bei dem Grundsatz „Datenschutz ist kein Tatenschutz".

 

Kein Recht auf Unerreichbarkeit –  18.01.2024

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BAG bejaht Infopflichten von Arbeitnehmern auch während der Freizeit

 

Ein Rettungssanitäter war nicht bereit, sich während seiner Freizeit über Dienstplankonkretisierungen zu informieren und berief sich auf sein „Recht auf Unerreichbarkeit“. Dieser Auffassung erteilte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23.08.2023 – 5 AZR 349/22) eine deutliche Absage und verwies auf die arbeitsvertragliche Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers zur Kenntnisnahme von Informationen und Weisungen des Arbeitgebers.

 

Im Betrieb des betroffenen Arbeitnehmers gab es eine Betriebsvereinbarung mit einem sehr detaillierten Schichtmodell. So konnte der Arbeitgeber im Dienstplan sog. unkonkrete Springerdienste zuweisen. Spätestens vier Tage vor dem Springerdienst musste dieser auf Tag- oder Spätdienst konkretisiert werden. Der Arbeitgeber war darüber hinaus berechtigt, den konkreten Beginn des zugewiesenen Springerdienst im Tag- oder Spätdienst bis am Vorabend um 20 Uhr festzulegen. Die Mitarbeiter konnten sich über das Internet über die konkret zugewiesenen Dienstzeiten informieren. Ferner informierte der Arbeitgeber den Rettungssanitäter per SM um 13:27 des Vortrags über den Beginn seiner Springerschicht, nachdem er ihn telefonisch nicht erreichen konnte. Der Mitarbeiter ignorierte die SMS und erschien verspätet zum Dienst.

 

Das Bundesarbeitsgericht sah die Regelungen der Betriebsvereinbarung als wirksam an. Der Arbeitnehmer sei verpflichtet gewesen, die Weisungen des Arbeitgebers in Bezug auf den konkret zugeteilten Dienst und den Dienstbeginn zur Kenntnis zu nehmen. Dieser unterlag einer mit der Arbeitspflicht in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Nebenleistungspflicht, die aus den Regelungen der Betriebsvereinbarung folge. Diese Nebenleistungspflicht umfasse die Kenntnisnahme von Weisungen und Konkretisierungen des Arbeitgebers auch während der Freizeit. Dabei müsse der Arbeitnehmer nicht ununterbrochen für den Arbeitgeber erreichbar sein, so die Erfurter Richter. Es sei dem Rettungssanitäter überlassen geblieben, wann und wo er von der SMS des Arbeitgebers, mit der er über die Konkretisierung des Springerdienstes informiert wurde, Kenntnis nimmt. Der Arbeitnehmer sei keineswegs verpflichtet, den gesamten Tag sein Handy im Blick zu haben und sich dienstbereit zu halten. Da der Arbeitgeber die Konkretisierung des Dienstbeginns bis 20:00 vornehmen konnte, war es ausreichend, sich ab dieser Zeit zu informieren. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, mit dem Arbeitgeber in eine Kommunikation zu treten. Er hat lediglich die Nachricht des Arbeitgebers über die Dienstzuteilung für den Folgetag zur Kenntnis zu nehmen.

 

Die Erfüllung dieser Nebenpflicht steht nicht im Konflikt mit dem Arbeitszeitrecht. Bei der Kenntnisnahme der Weisung handelt es sich nach Auffassung des BAG nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne. Als Arbeitszeit sind nur solche Zeitspannen zu qualifizieren, in denen dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, das sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, ganz erheblich einschränken. Die Ruhezeit wird durch die Kenntnisnahme der SMS nicht unterbrochen. Der Arbeitnehmer kann frei wählen, zu welchem Zeitpunkt der die Weisung zur Kenntnis nimmt. Der Moment der Kenntnisnahme stellt sich nach Auffassung des BAG als zeitlich derart geringfügig dar, dass nicht von einer ganz erheblichen Beeinträchtigung der Nutzung der Freizeit ausgegangen werden kann.

 

Als Konsequenz waren sowohl die dem Rettungssanitäter erteilte Abmahnung als auch die Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto als Fehlzeit wirksam. Arbeitnehmern ist nach dem Urteil des BAG geraten, Weisungen des Arbeitgebers auch während ihrer Freizeit zur Kenntnis zu nehmen. 

BAG - Urteil vom 23.08.2023 – 5 AZR 349/22

 

Krankmeldung während der Kündigungsfrist – 10.01.2024

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BAG zu Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

 

Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben Arbeitnehmer, die an der Arbeitsleistung wegen einer Erkrankung verhindert sind, maximal für den Zeitraum von 6 Wochen, § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Der Nachweis der Erkrankung wird mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbracht. Bei gesetzlich Versicherten wird diese inzwischen elektronisch ausgestellt. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann jedoch im Zusammenhang mit einer Kündigung erschüttert sein, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen.

 

Bereits 2021 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sich ernsthafte Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung daraus ergeben können, dass die am Tag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt (Urteil BAG 08.09.2021 – 5 AZR 149/21). Eine Arbeitnehmerin hatte zeitgleich eine Kündigung und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht, die die gesamte Dauer der in diesem Fall zweiwöchigen Kündigungsfrist umfasste. Dieser Umstand genügte für das BAG den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert anzusehen und ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit anzunehmen. In der Folge trugt die betroffene Arbeitnehmerin die volle Darlegungs- und Beweislast für das tatsächliche Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit. Sie muss konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen.

 

Mit Urteil vom 13.12.2023 (Az. 5 AZR 137/23) hat das BAG nunmehr klargestellt, dass es für die Annahme von ernstlichen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht darauf ankommt, ob eine Eigenkündigung des Arbeitsnehmers vorliegt oder ob der Arbeitgeber die Kündigung erklärt hat. In dem im Jahr 2023 zu entscheidenden Fall wurde dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gekündigt. Er hatte sich aber bereits einen Tag vor der Kündigung, ohne von dieser Kenntnis zu haben, zunächst für eine Woche arbeitsunfähig krankschreiben lassen. Danach legte er zwei weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die den kompletten Zeitraum der Kündigungsfrist umfassten und den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses einschlossen. Am ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitnehmer wieder gesund und nahm die Arbeit bei seinem neuen Arbeitgeber auf. Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte das BAG als Nachweis akzeptiert, da diese noch vor Ausspruch der Kündigung ausgestellt worden war. Hinsichtlich der beiden Folgebescheinigungen sah das BAG den Beweiswert dagegen als erschüttert an, weil zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerungen der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist ein zeitlicher Gleichlauf bestand, der auf einen kausalen Zusammenhang schließen lässt. Hinzu kam, dass der Kläger am Folgetag nach der Arbeitsunfähigkeit direkt seinen neue Arbeit aufgenommen hat. Auch hier trägt der Arbeitnehmer nun die volle Darlegungs- und Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit.

 

Wer nach einer Kündigung arbeitsunfähig erkrankt und die Arbeitsunfähigkeit exakt die gleiche Dauer wie der Kündigungsfrist aufweist, muss zukünftig damit rechnen, dass Arbeitgeber allein schon wegen dem Gleichlauf von Kündigungsfrist und Arbeitsunfähigkeit die Entgeltfortzahlung verweigern. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die bestehende Arbeitsunfähigkeit durch Angabe weiterer Tatsachen (z.B. Angabe von Beschwerden, ggf. Diagnosen etc.) darzulegen. Dies kann unter Umständen in einem Prozess vor dem Arbeitsgericht bis zur Entbindung der Schweigepflicht der behandelnden Ärzte führen. 

 

 

Bundesarbeitsgericht zur Entgeltgleichheit von Männer und Frauen – 03.04.2023

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Wegweisendes BAG-Urteil zur Gleichberechtigung in Sachen Entgelt

 

Eine Außendienstmitarbeiterin erhielt für die gleiche Arbeit bei vergleichbarer Qualifikation ein um EUR 1.000,00 bzw. EUR 500,00 brutto niedrigeres Gehalt als ihre beiden männlichen Kollegen. Der Arbeitgeber rechtfertigte diesen Unterschied zum einen damit, dass der eine Kollege sein hohes Gehalt bei der Einstellung ausgehandelt habe und nicht bereit war, zum Gehalt, das die Mitarbeiterin beziehe, den Job zu übernehmen. Der andere Kollege sei einer deutlich höher bezahlten Kollegin nachgefolgt.

Beide Argumente lies das Bundesarbeitsgericht nicht gelten. Das Vorliegen einer Diskriminierung wegen des Geschlechts kann nicht mit dem Argument widerlegt werden, der Mann habe das höhere Gehalt geschickt verhandelt. Die betroffene Mitarbeiterin ist aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, wenn sie für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhält als ihre männlichen Kollegen. Die Mitarbeiterin hat gemäß Art 157 AEUV, §§ 3 I, 7 EntgTranspG einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt. 

Die Tatsache, dass die Mitarbeiterin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Entgelt erhalten hat wie ihre männlichen Kollegen begründet ferner die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Damit hat die Mitarbeiterin auch einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 II AGG. Diese bemaßen die Erfurter Richter mit EUR 2.000,00 jedoch recht gering. Die Entgeltnachzahlung dürfte der deutlich höhere Betrag sein, über den sich die Mitarbeiterin nun zu Recht freuen darf.

Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Bereits aufgrund der Pressemitteilung kann man jedoch davon ausgehen, dass dies ein wegweisendes Urteil im Hinblick auf die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen ist. Bis dato beträgt der durchschnittliche „gender pay gap“ also die Lücke zwischen den Gehältern weiblicher und männlicher Mitarbeiter bundesweit 18% (Quelle Hans Böckler Stiftung – www.wsi.de). Das BAG Urteil eröffnet nun den berufstätigen Frauen eine wesentliche Grundlage für Gehaltserhöhungsverlangen gegenüber ihren Arbeitgebern. Verhandlungsgeschick ist nun kein Argument mehr für Entgeltungleichheit bei gleicher Arbeit.

  

BAG 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 

 

 

Bundesarbeitsgericht verpflichtet zur Arbeitszeiterfassung 

– 16.09.2022 

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Arbeitgeber sind ab sofort dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer systematisch und lückenlos zu dokumentieren. Vertrauensarbeitszeit sowie Million von unbezahlten Überstunden dürften damit nun der Vergangenheit angehören. Was sich für viele Arbeitnehmer zunächst wie eine lästige Pflicht anhört, ist jedoch längst überfällig, wenn man sich den Alltag in den deutschen Betrieben anschaut. Überstunden ohne Bezahlung oder Freizeitausgleich nehmen viele Arbeitgeber gerne an und werten diese bestenfalls als besondere Motivation und hohes Engagement ihrer Beschäftigten. Nicht selten werde diese Überstunden als selbstverständlich angesehen. Damit dürfte es nun endgültig vorbei sein.

 

Bereits im Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie, die die Grundlage für das deutsche Arbeitszeitgesetz bildet, eine systematische und lückenlose Dokumentation der Arbeitszeiten erfordert und die reine Erfassung von Überstunden, wie sie es § 16 Abs. 2 ArbZG vorsieht, nicht ausreichend ist. Ein System zur Erfassung der Überstunden biete den Arbeitnehmer kein wirksames Mittel, mit dem gewährleistet werden könne, dass die in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht überschritten und die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten eingehalten werden, so das höchste europäische Gericht in Luxemburg.

 

Doch wie soft hat man sich in Deutschland mit der Umsetzung von europäischen Vorgaben Zeit gelassen und die unwirksame Regelung in § 16 Abs. 2 ArbZG belassen. Arbeitgeber konnten mit der gewohnten Praxis der Arbeitszeiterfassung oder besser gesagt der Nichterfassung fortfahren und brauchten keine Konsequenzen zu befürchten. Arbeitnehmern war die Durchsetzung ihrer Vergütungsansprüche für Überstunden weiterhin extrem erschwert, da diese ohne Arbeitszeiterfassung ihrer Darlegungs- und Beweislast vor dem Arbeitsgericht in aller Regel nicht nachkommen konnten. 

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich nun der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes angeschlossen. In seiner Entscheidung vom 13.09.2022 erklärte das höchste deutsche Arbeitsgericht, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Dabei geht es in erster Linie um den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Mitarbeiter müssen vor Überforderung geschützt werden. 

 

Die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Auch wenn viele Arbeitnehmer die Zeiterfassung als lästige Kontrolle empfinden, muss Gefahren in der Praxis wie unbezahlte Überstunden, Verletzung von Ruhepausen und Ruhezeiten oder die Kappung von Arbeitszeitguthaben entgegengewirkt werden. Dies funktioniert nur mit einer systematischen Arbeitszeiterfassung. Gerade in Zeiten des digitalen Wandels, in denen die Grenzen von Arbeitszeit und Freizeit immer mehr verschwimmen und zahlreiche Arbeitnehmer durchgehend mittels Smartphone „standby“ für ihre Arbeitgeber zur Verfügung stehen, ist eine verpflichtende Arbeitszeiterfassung erforderlicher denn je. 

 

BAG 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 

 

Mitbestimmung BR bei Hinausbeschäftigung nach § 41 S. 3 SGB VI – 15.04.2022 

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Zustimmungspflicht nach § 99 I BetrVG auch beim Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes 

 

Was für eine Vertragsverlängerung bei einem befristeten Vertrag oder einer sog. Entfristung – also der Umwandlung eines befristeten in einen unbefristeten Vertrag - schon selbstverständlich ist, gilt nun auch bei einem Hinausschieben der Vertragsbeendigung über das Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente nach § 41 S. 3 SGB VI:  Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. 

 

Nach § 41 S. 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis nicht wie ursprünglich vorgesehen mit Erreichen der Altersgrenze enden soll sondern erst zu einem späterem Zeitpunkt. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss aus September 2021 klargestellt, dass es hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG nicht auf die rechtliche Grundlage der Weiterbeschäftigung ankommt. Die Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus ist eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG und löst damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus. Damit ist eine Weiterbeschäftigung nur dann möglich, wenn der Betriebsrat zuvor ordentlich angehört und seine Zustimmung zu der Maßnahme eingeholt wurde. 

 

Das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG dient hauptsächlich den Interessen der schon im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Deren Interessen sind auch dann berührt, wenn ein Arbeitnehmer über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus im Betrieb bleibt. Mit der Weiterbeschäftigung nimmt der Arbeitgeber eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses freiwerdenden Arbeitsplatzes vor. Diese Besetzung kann Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG auslösen, die bei der ursprünglichen Ersteinstellung nicht voraussehbar waren. Denkbar ist z.B., dass eine nach   § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist, die Besetzung des Arbeitsplatzes mit dem Mitarbeiter gegen eine Auswahlrichtlinie nach 95 BetrVG verstößt oder wenn die Besorgnis besteht, dass im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer in Folge der Weiterbeschäftigung Nachteile erleiden. Wenn ein Arbeitnehmer mit Erreichen der Altersgrenze seinen Arbeitsplatz „verliert“, weil der Betriebsrat seiner Weiterbeschäftigung zu Recht die Zustimmung verweigert, so folgt dies ebenso aus dem Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrates wie die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer einen angestrebten Arbeitsplatz nicht „erhält“, weil der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung ordnungsgemäß verweigert. 

 

Der Umstand, dass § 41 S. 3 SGB VI mit der EU-Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf /RL 2000/78/EG) vereinbar ist, rechtfertigt nicht die Annahme, im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer können in Folge der Weiterbeschäftigung keine Nachteile erleiden. 

§ 41 S. 3 SGB VI ist eine Sondervorschrift des Befristungsrechts, für die im Hinblick auf die Mitbestimmung des Betriebsrates jedoch keine Ausnahme gilt. 

 

BAG 22.09.2021 – 7 ABR 22/20 

 

BAG verschärft häusliche Pflegesituation -  27.01.2022

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Mindestlohn gilt auch für ausländische Pflegekräfte

Viele pflegebedürftige Menschen werden nicht im Pflegeheim betreut, sondern zu Hause gepflegt. Dies ist häufig von den Betroffenen so gewollt. Da deren Angehörigen bereits aus beruflichen Gründen mit der Pflege überfordert sind, ist es seit Jahrzehnten bewährte Praxis eine häusliche Pflegekraft aus Osteuropa für die Pflege zu beschäftigen. Dies war bisher meistens günstiger als die Unterbringung im Pflegeheim. Nicht selten beträgt das Entgelt der ausländischen Pflegekraft deutlich weniger als EUR 2.000,00 im Monat, obwohl mit deren Einsatz häufig eine 24-Stunden-Pflege verbunden ist.

 

Dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun einen Riegel vorgeschoben. In seinem Urteil vom vergangenen Juni (Az.: 5 AZR 505/20) hat das höchste deutsche Arbeitsgericht einer bulgarischen Pflegekraft Recht gegeben, die für ihren Einsatz im Rahmen der 24-Stunden-Pflege den Mindestlohn gefordert hat. 

 

Zunächst hat das BAG festgestellt, dass auch ausländische Arbeitskräfte für ihre im Inland geleistete Arbeit Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts haben, dass mindestens die Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes beträgt. Die Zwischenschaltung einer internationalen Agentur, die mit der Pflegekraft einen Arbeitsvertrag nach ausländischem Recht abschließt, hilft nicht. § 20 Mindestlohngesetz (MiLoG) verpflichtet auch diese Agenturen zur Zahlung des Mindestlohnes. Durch die Festlegung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt sollen die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) für alle in Deutschland tätigen ArbeitnehmerInnen gewährleistet und damit die sozialen Sicherungssysteme entlastet werden.

 

Ferner betont das BAG, dass jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Hierzu zählen nicht nur die Vollarbeit sondern auch Bereitschaftszeiten. Die Pflegekraft kann während des Bereitschaftsdienstes nicht frei über die Nutzung dieses Zeitraumes bestimmen, sondern muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – in diesem Fall das Haus oder die Wohnung der zu pflegenden Person – bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Auch diese Bereitschaftszeiten sind Arbeitszeiten, die mit dem Mindestlohn zu vergüten sind.

 

Letztendlich betont das BAG, dass der Mindestlohn in Form von Geld zu leisten ist. Damit bleiben Sachleistungen wie Kost und Logis, die die häusliche Pflegekraft in der Regel erhält, unberücksichtigt. Diese Leistungen sind nicht auf den Mindestlohn anzurechnen.

 

Gegenwärtig beträgt der Mindestlohn EUR 9,82. Bereits feststeht, dass der Mindestlohn ab 1. Juli 2022 auf EUR 10,45 steigt, wenn sich Bundesarbeitsminister Heil durchsetzt,, erfolgt sogar eine Erhöhung auf EUR 12,00. Was es damit kostet, eine häusliche Pflegekraft mit 24 Stunden-Dienst zu beschäftigen, kann sich jeder selbst leicht ausrechnen. Hinzu kommen noch die Arbeitgeberabgaben für die Sozialversicherung. Die wenigsten Pflegebedürftigen werden diese Kosten tragen können. Zumal das Pflegegeld nur einen kleinen Teil davon abdeckt.

 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist richtig und wichtig. Es ist nicht hinnehmbar, dass ausländische Pflegekräfte in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden. Genauso wenig erscheint es akzeptabel, dass viele Betroffene gezwungen sind, illegale Beschäftigungsverhältnisse zu unterhalten, weil sie sich die Zahlung des Mindestlohnes nicht leisten und die Pflegesituation auf andere Art und Weise nicht lösen können. Die Politik ist nun einmal mehr gefordert, endlich den Pflegenotstand in Deutschland zu beenden. 

Abfindung – eine Brücke zur Rente?   04.12.2021

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Abfindungen zur Rentenoptimierung nutzen

  

Nachrichtenmeldungen über Restrukturierungen in Unternehmen reißen nicht ab. Im Kreis Groß-Gerau ist das berühmteste Beispiel sicherlich Opel bzw. Stellantis. Aber auch in anderen Firmen im Rhein-Main-Gebiet stehen strukturelle Veränderungen an, egal ob internationaler Großkonzern oder mittelständisches Unternehmen. Mit diesen strukturellen Veränderungen geht meistens ein Personalabbau einher. Die betroffenen Mitarbeiter erhalten häufig für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung, die zunächst attraktiv erscheint. Doch bevor es zur Auszahlung kommt, schlägt das Finanzamt zu. Abfindungen sind zwar sozialversicherungsfrei, d.h. es gibt keinen Abzug für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, sie unterlegen jedoch vollständig der Einkommenssteuer. Je nach Höhe der Abfindung und Steuersatz fließen schnell 30 – 42% der Abfindung an das Finanzamt. Dies ist für Betroffene, die gleich eine Anschlussbeschäftigung finden, ärgerlich. Für alle anderen, deren Weg in die Arbeitslosigkeit führt, ist diese Steuerbelastung finanziell schwer zu verkraften, insbesondere wenn die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gering sind und der Rentenbeginn noch nicht unmittelbar bevorsteht. Modelle, die die Steuerlast verringern und aus der Abfindungszahlung eine Brücke zur Rente bauen, sind dementsprechend gefragt.

 

Das Fundament einer solchen Brücke besteht aus verschiedenen sozialrechtlichen und steuerrechtlichen Komponenten. 

Mit der sogenannten steuerrechtlichen Fünftelregelung nach § 34 EStG werden außerordentliche Einkünfte steuerrechtlich begünstigt, indem sie so behandelt werden, als erhielte der Mitarbeiter eine einmalig, hohe Einnahme gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt. Der Vorteil dieser Regelung wird insbesondere dann spürbar, wenn man die Abfindungszahlung in einem Jahr erhält, in dem man ansonsten geringe Einkünfte hat, z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit. Es kann sich zudem lohnen, mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende des einen Jahres endet, die Abfindung aber erst im Folgejahr gezahlt wird. Gerade bei sehr hohen Abfindungen kann dies zu fünfstelligen Steuerersparnissen führen. Eine Beratung und exakte Berechnung durch einen Steuerberater ist empfehlenswert.

Die zweite Komponente der Brücke ist das klassische Arbeitslosengeld. Hierbei ist zu beachten, dass es ab Vollendung des 50. Lebensjahres einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld gibt (bis zu 15 Monate). Wenn Arbeitnehmer bereits das 58. Lebensjahr vollendet haben und innerhalb der letzten 60 Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 48 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, erhalten sie sogar zwei Jahre lang Arbeitslosengeld. 

Die dritte Komponente ist die (teilweise) Einzahlung der Abfindung in die Deutsche Rentenversicherung. § 187a SGB VI ermöglicht es, ab Vollendung des 50. Lebensjahres Einmalzahlungen in die Deutsche Rentenversicherung (DRV) vorzunehmen und damit Rentenabschläge, die bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Rente entstehen, auszugleichen. Jeder Monat des vorzeitigen Rentenbeginns vor der Regelaltersrente führt zu einem lebenslangen Rentenabschlag von 0,3%, maximal ist ein Abschlag von 14,4% möglich. Diese Rentenabschläge können durch die Einzahlung einer Abfindung in die DRV „abgekauft“ werden. Hierdurch wird es ermöglicht, frühzeitig ohne oder mit deutlich geringeren Abschlägen in Rente zu gehen. Die DRV errechnet auf Anfrage den Ausgleichsbetrag. Beschäftigte mit einer betrieblichen Altersversorgung sollten sich zudem nach den Modalitäten eines Abkaufs von Abschlägen bei ihrer betrieblichen Altersversorgung erkundigen. 

Der „Abkauf“  von Rentenabschlägen ist außerdem steuerlich gefördert, wenn die Einzahlung bei der DRV durch den Arbeitgeber erfolgt. Bis zu 50% der durch die DRV errechneten Ausgleichsbeträge sind nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei, wenn sie direkt durch den Arbeitgeber gezahlt werden. Auch hier ist eine individuelle Beratung und Berechnung durch einen Steuerberater empfehlenswert. Die steuerliche Optimierung können selbstverständlich auch Beschäftigte nutzen, die eine Anschlussbeschäftigung haben und die lediglich eine Option eines abschlagsfreien frühen Renteneintritts aufbauen möchten. Trotz Einzahlung sind Beschäftige nicht verpflichtet, vorzeitig in Rente zu gehen. Wer trotz Einzahlung bis zur Regelaltersrente arbeitet, erhält später durch die Ausgleichszahlung eine höhere Rente. 

 

Auch wenn der Weg bis zur Rente noch lang ist, bieten Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Möglichkeiten an, den Weg zu überbrücken. Wichtig ist, die einzelnen Komponenten gut aufeinander abzustimmen und sich eingehend beraten zu lassen. 


Kurzarbeit = weniger Urlaub? - 05.06.2021 

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Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null rechtens

  

Im Zuge der Corona-Pandemie herrscht in vielen Unternehmen bereits seit über einem Jahr Kurzarbeit. Die wirtschaftliche Situation in diesen Unternehmen ist und bleibt schwierig. Deshalb verwundert es nicht, dass Geschäftsführung und Personalleitung auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten auf die Idee der Urlaubskürzung bei Kurzarbeit gekommen sind. Doch ist eine solche Kürzung des Urlaubsanspruchs rechtens? 

 

Grundsätzlich ja! Dies urteilte jüngst das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (12.03.2021 – 6 Sa 824/20) bezogen auf den Fall der Kurzarbeit „Null“. Bei Kurzarbeit handelt es sich um eine vorrübergehende Verkürzung der Arbeitszeit. Mit der Vereinbarung Kurzarbeit „Null“ haben sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine vorrübergehende Suspendierung der Arbeitspflicht geeinigt, d.h. der betroffenen Arbeitnehmer muss in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbringen. Dass Urlaub in Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung zu erbringen ist, gekürzt werden darf, ist von der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Ausnahmen hiervon gelten nur für die Arbeitsunfähigkeit. Dagegen ist eine Urlaubskürzung bei Kurzarbeit Null entsprechend der schon bekannten Grundsätze zur Urlaubskürzung für Zeiten ohne Arbeitspflicht zulässig. 

 

Nach dem LAG Düsseldorf kann an den Tagen, an denen wegen der Kurzarbeit gar nicht gearbeitet wird, kein Urlaub entstehen. Wenn und soweit die Kurzarbeit zum vollständigen Wegfall der Arbeitspflicht an einem Arbeitstag führt, reduziert sich die Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage und damit automatisch auch die Höhe des Urlaubsanspruchs. Es ist eine anteilige Kürzung des Urlaubs vorzunehmen. Wechselt die Anzahl der Arbeitstage unterjährig , ist der gesetzliche Urlaubsanspruch für das betreffenden Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung  und der Kurzarbeit Null umzurechnen. Wird z.B. ein ganzer Monat Kurzarbeit angeordnet, reduziert sich der Urlaubsanspruch des laufenden Kalenderjahres um 1/12; bei 30 Urlaubstagen/ Jahr sind dies immerhin 2,5 Tage. 

Schwieriger ist die Berechnung, wenn nicht im gesamten Monat Kurzarbeit „null“ angeordnet ist, sondern nur an einzelnen Tagen, während an den anderen Arbeitstagen regulär gearbeitet wird,  Der Urlaub entfällt dann nur anteilig für die Tage des Monats an denen nicht gearbeitet wird. Hat der Arbeitnehmer z.B. einen Anspruch auf 24 Arbeitstagen im Jahr, entfallen hiervon auf den einzelnen Monat 2 Tage. Wenn nun in diesem Monat wegen Kurzarbeit statt an 20 Arbeitstagen nur an 10 Arbeitstagen gearbeitet, reduziert sich der Urlaubsanspruch für diesen Monat auf einen Tag und der Jahresurlaubsanspruch auf 23 Tage. 

 

Keine Urlaubskürzung findet dagegen statt, wenn die Kurzarbeit nicht zu einer Reduzierung von Arbeitstagen führt, sondern nur zu einer Verkürzung der Arbeitszeit (z.B. werden anstatt 8 Stunden täglich nur 5 Stunden gearbeitet). In diesem Fall darf der Jahresurlaubsanspruch nicht gekürzt werden, da die Anzahl der Arbeitstage trotz Kurzarbeit die gleiche ist wie ohne Kurzarbeit. 

 

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf stützt sich in seinem Urteil auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der kürzlich entschieden hatte, dass die Situation der Kurzarbeit vergleichbar ist mit Teilzeitbeschäftigung, so dass für den Jahresurlaubsanspruch der pro-rata-temporis-Grundsatz (Grundsatz der zeitanteiligen Berechnung) gilt. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht dieser Auffassung folgt.


Betriebsrätemoderniesierungsgesetz - 19.04.2021 

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Neuerungen im BetrVG geplant

 

Die Digitalisierung hält Einzug in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der das BetrVG endlich ins 21 Jahrhundert transferiert. Die meisten Regelungen betreffen die Digitalisierung, die interessanteste sicherlich das mobile Arbeiten. Gleichzeitig hat man die Gelegenheit genutzt, das vereinfachte Wahlverfahren auszuweiten und den Kündigungsschutz in Verbindung mit der Gründung und Wahl von Betriebsräten zu stärken. Die wesentlichen Neuerungen im Detail:

 

1.   Ergänzung des Mitbestimmungskatalogs des § 87 BetrVG um das mobile Arbeiten

 

Mobiles Arbeiten ist gerade aufgrund der Corona-Pandemie ein Trend. Doch unabhängig von Pandemiezeiten wird der Betriebsrat künftig ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mit Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, erhalten. Dazu wird der Mitbestimmungskatalog des § 87 I BetrVG ergänzt um eine Nr. 14. Ob der Arbeitgeber mobile Arbeit überhaupt anbietet, entscheidet dieser allein. Sobald diese Möglichkeit jedoch geschaffen wird, hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung umfassend mitzubestimmen. Begrenzt ist das Mitbestimmungsrecht auf mobile Arbeit, die mit Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird. Damit sollten klassische Außendiensttätigkeiten ausgenommen sein. Jedoch dürften auch bei solchen Jobs inzwischen moderne Kommunikationsmittel überwiegend im Einsatz sein, so dass dadurch der Mitbestimmungstatbestand und damit das Gestaltungsrecht des Betriebsrats wieder eröffnet ist.

 

2.   Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz

 

Bereits bekannt ist auch die Möglichkeit von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz als Ausfluss der Corona-Pandemie. § 129 BetrVG schafft diese Form der Betriebsratssitzung bereits, allerdings nur befristet bis zum 30.06.2021. Künftig wird § 30 BetrVG um eine entsprechende Vorschrift ergänzt, gleichzeitig wird jedoch klargestellt, dass Präsenzsitzungen nach wie vor Vorrang haben. Betriebsräte können somit selbst entscheiden, wie sie ihre BR-Sitzung durchführen wollen, als Präsenzsitzung oder mittels Video- und Telefonkonferenz.

 

3.   Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Betriebsrats

 

Nicht neu, sondern nur eine Klarstellung der sowieso schon herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird der neue § 79a BetrVG enthalten, wonach der Betriebsrat die Vorschriften des Datenschutzes einzuhalten hat. Sofern der Betriebsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, bleibt der Arbeitgeber  der für die Verarbeitung Verantwortliche.

 

4.   Stärkung des Betriebsrats und insbesondere die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen beim Einsatz von KI

 

Die zunehmende Digitalisierung macht vor den Betriebsräten schon lange nicht mehr halt. Ein wesentlichr Teil ihrer Arbeit ist mit Themen der Künstlichen Intelligenz (KI) verbunden. Die Einführung neuer Software sowie die damit verbundenen Konsequenzen für die Belegschaft beschäftigen viele Betriebsräte nahezu täglich. Um so erfreulicher, dass sie sich künftig nicht mehr langwierig mit dem Arbeitgeber über die Erforderlichkeit eines Sachverständigen auseinandersetzen müssen. § 80 Abs. 3 BetrVG wird ergänzt und darin festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen beim Einsatz von KI für den Betriebsrat als erforderlich gilt.

Ferner wird klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist. Außerdem wird sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung personeller Auswahlrichtlinien auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Hilfe von KI erstellt werden. Beides Selbstverständlichkeiten, die Klarstellungen sind an und für sich überflüssig.

 

5.   Einigungsstelle künftig auch bei der Berufsbildung möglich

 

Bei Fragen der Berufsbildung, insbesondere beim Berufsbildungsbedarf hat der Betriebsrat zur Zeit nur ein Informations- und Beratungsrecht. Dieses wird ergänzt durch die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen, sofern es bei der Beratung nicht zu einer Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung kommt. Die Einigungsstelle kann aber nur vermitteln und darf anscheinend nicht entscheiden. Wenn man sich jedoch die Kosten einer Einigungsstelle vor Augen hält, dürfte der Betriebsrat damit ein wirksames Druckmittel erhalten, künftig die Qualifizierung der Arbeitnehmer stärker als bisher voranzutreiben.

 

6.   Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens

 

Das vereinfachte Wahlverfahren galt bisher in Betrieben bis zu 50 Mitarbeitern, ferner konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat in Betrieben mit 51 – 100 Mitarbeitern auf das vereinfachte Wahlverfahren verständigen. Künftig wird das vereinfachte Wahlverfahren für Betrieben mit bis zu 100 Mitarbeitern vorgeschrieben. In Betrieben mit 101 – 200 Mitarbeitern können sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens verständigen. Damit dürfte der Belegschaft vieler kleinerer Unternehmen die Betriebsratswahl künftig leichter fallen.

 

7.   Verbesserung des Kündigungsschutzes zur Sicherung der Betriebsratswahlen

 

Künftig  werden die ersten sechs Mitarbeiter, die zur Betriebsratswahl einladen, vom besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erfasst. Bisher waren es nur die ersten drei Mitarbeiter. Ferner ist zukünftig die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgibt, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu errichten, unzulässig. Dieser Kündigungsschutz gilt  bis zur Einladung zur Betriebsratswahl, längstens für drei Monate.

 

Mit den Änderungen soll der abnehmenden Zahl von Betriebsratsgremien entgegengewirkt werden. Die Position derjenigen Mitarbeiter, die sich für die erstmalige Wahl engagieren, soll mit einem verbesserten Kündigungsschutz deutlich gestärkt werden.

Die erheblich gestiegene Bedeutung der Digitalisierung soll nun auch ihren Ausdruck im BetrVG erfahren und die Betriebsräte sollen bei ihren Aufgaben in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz stärkere Unterstützung erfahren. Häufig werden jedoch nur Klarstellungen ins BetrVG aufgenommen, deren Regelungsinhalte bereits heute gelten. Die Chance für eine grundlegende Neugestaltung wird damit leider verpasst. Erfreulich ist das neue Mitbestimmungsrecht bei mobiler Arbeit, die Erforderlichkeit eines Sachverständigen bei Themen der Künstlichen Intelligenz sowie die Stärkung der Rechtsposition des Betriebsrats bei Fragen der Berufsbildung. 

 

Der Gesetzesentwurf befindet sich zur Zeit zur Stellungnahme beim Bundesrat und soll anschließend zur Beschlussfassung dem Bundestag vorgelegt werden.

Impfpflicht im Arbeitsverhältnis - 10.03.2021

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Arbeitgeber können Arbeitnehmer nur ausnahmsweise zur Impfung verpflichten

 

Zugegeben die Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus laufen schleppend. In Hessen sind gerade die Impfungen der Prio-Gruppe 2 angelaufen. Dennoch steht bereits heute die Frage im Raum, ob Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern eine Impfung verpflichtend verlangen können.

 

Eine gesetzliche Impfpflicht gibt es derzeit nicht und ist – soweit ersichtlich – auch nicht geplant. Eine solche gesetzliche Impfpflicht besteht derzeit für Masern nach § 20 Abs. 8 – 12 des Infektionsschutzgesetzes. Arbeitgeber können sich daher grundsätzlich nicht auf ein Gesetz berufen, wenn sie von ihren Arbeitnehmern eine Impfung verlangen. Verpflichtende Regelungen sind jedoch in Tarifverträgen, in Betriebsvereinbarungen und im Arbeitsvertrag grundsätzlich denkbar. 

 

Tarifvertragliche Regelungen sowie Regelungen in Betriebsvereinbarungen, die ein Grundrecht unangemessen beschränken, sind unzulässig. Eine Impfpflicht greift stark in das allgemeine Persönlichkeitsrechts sowie in das Recht auf die körperliche Unversehrtheit ein. Eins solcher Eingriff ist nur dann zulässig, wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Impfung das grundrechtlich geschützte Interesse des Arbeitnehmers am allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der körperlichen Unversehrtheit überwiegt. 

Eine Impfung dient der Prävention und ist für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere für die ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung – in der Regel nicht erforderlich, so dass es auch kein überwiegendes Arbeitgeberinteresse gibt. Eine im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vorgesehene Impfpflicht ist damit unwirksam.

 

Eine Ausnahme kann sich bei besonderen Gruppen von Arbeitnehmern (Ärzte, Krankenhauspersonal, Pflegekräfte, etc.) ergeben, wenn sie mit besonders gefährdeten Personen, die einer Risikogruppe angehören, regelmäßig in Kontakt kommen. Bei einer Tätigkeit in diesem Bereich (Krankenhaus, Pflegeheim, Pflegedienst etc.) macht es gerade den Kern der Arbeitsleistung aus, für den Schutz und die Pflege dieser Personen Sorge zu tragen. Bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser  und Pflegeinrichtungen haben gemäß § 23 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz Maßnahmen zu ergreifen, um die Weiterleitung von Viren zu verhindern. Solche Maßnahmen können auch Impfungen sein.

 

Eine Impfpflicht im Arbeitsvertrag scheidet ebenfalls aus. Eine arbeitsvertragliche Regelung, die eine Impfpflicht vorsieht, wird als überraschende Klausel im Sinne von § 305c BGB zu werten sein, im übrigen wird sie auch einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB nicht Stand halten. Ausnahmen gelten für die bereits oben erwähnten besonderen Gruppen von Arbeitnehmern.

 

Letztendlich wird man auch unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes Impfungen nicht verpflichtend vorschreiben können.  Gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 ArbmedVV können Impfungen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge sein. Sie sind dem Arbeitnehmer anzubieten und nicht vorzuschreiben. Eine Pflichtvorsorge ist in der ArbmedVV nur für bestimmte Tätigkeiten vorgesehen, bei den meisten Arbeitnehmern wird es bei einer Angebotsvorsorge oder einer Wunschvorsorge bleiben.

 

Eine Impfpflicht werden nur sehr wenige Arbeitgeber in bestimmten Bereichen verhängen können. Die meisten Arbeitnehmer können selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen und unterliegen keinen Vorgaben ihrer Arbeitgeber. 

 Recht auf Homeoffice? - 27.01.2021 

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SARS-CoV-2- Arbeitsschutzverordnung: Chance auf rechtsverbindliches Homeoffice leider verpasst!

 

Schon vor Corona war es in der Diskussion, der Bundesarbeitsminister arbeitet bereits seit Jahren an einem Gesetzesvorschlag ohne wirkliches Ergebnis und jüngst ist es von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten der Länder als probate Waffe in der Corona-Pandemie entdeckt worden: das Recht auf Homeoffice. 

 

Doch was so einfach und praktisch klingt, ist es leider nicht. Ein Recht auf Homeoffice gab es vor Corona nicht und auch die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des Bundesarbeitsministeriums vermittelt keinen Anspruch auf Homeoffice, obwohl der Text der Verordnung das zunächst verspricht! Nach § 2 Abs. 4 dieser Verordnung hat der Arbeitgeber Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese in der Wohnung der Beschäftigten auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Klingt gut, einen einklagbaren Anspruch, der vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden könnte, vermittelt diese Verordnung jedoch nicht. Sofern der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommt, können sich die Beschäftigten nur an die Arbeitsschutzbehörde wenden. Am Ende eines behördlichen Verfahrens steht allenfalls ein Bußgeldbescheid gegen den Arbeitgeber, aber kein Homeoffice für den Arbeitnehmer. 

 

Homeoffice bedeutet, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung ausschließlich von ihrem Wohnsitz aus erbringen. Hierfür bedarf es einer rechtlichen Grundlage, zum Beispiel eine Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Ist der Arbeitsort vertraglich nicht geregelt, gilt § 106  S.1 GewO, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann. Ohne Vertrag oder Betriebsvereinbarung gibt es also keinen Weg ins Homeoffice. 

 

Die Pflichten, die Arbeitgeber im Zusammenhang mit Homeoffice zu erfüllen haben, sind hoch und dürften der Hauptgrund dafür sein, weshalb sich viele Arbeitgeber dem Homeoffice für ihre Beschäftigten versperren. Die strengen Vorschriften des Arbeitsschutzes machen auch vor einem Homeoffice nicht halt. So sind u.a. die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung hinsichtlich der Beschaffenheit von Büroarbeitsplätzen und Bildschirmarbeitsplätzen einzuhalten. Nur wenige Wohnungen dürften diese Voraussetzungen erfüllen. Mit dem Laptop am Esszimmertisch zu arbeiten, entspricht den gesetzlichen Vorgaben jedenfalls nicht. 

 

Darüber hinaus ist eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchzuführen. Diese dient der Identifikation möglicher Gefährdungsrisiken bei der Arbeit. Konkret bedeutet dies, dass sich ein Fachteam bestehend aus mehreren Personen (Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Vertreter des Betriebsrates, usw.) mit Vorgesetztem und Mitarbeiter den Arbeitsplatz anschaut und auf mögliche Gefahren untersucht. Angesichts der gegenwärtigen gesundheitlichen Gefährdungslage ist eine persönliche Begutachtung, wie sie die Gefährdungsbeurteilung grundsätzlich voraussetzt, vollkommen widersinnig. Vom zeitlichen Aspekt ganz zu schweigen. Eine Gefährdungsbeurteilung ist nicht in 5 Minuten gemacht. Die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung gilt aber nur bis zum 15. März 2021. Für größere Arbeitgeber dürfte es bereits zeitlich nciht möglich sein, alle Gefährdungsbeurteilungen bis dahin durchzuführen.
Ferner müssten sich die Arbeitsgeber vertraglich ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Mitarbeiters einräumen lassen, um die Verpflichtung aus dem ArbSchG überhaupt erfüllen zu können. Aber welcher Mitarbeiter möchte seinem Arbeitgeber ein vertragliches Zutrittsrecht zur Wohnung einräumen?!

 

Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Homeoffice stellt die Kostentragung dar. Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Arbeitnehmern die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Das sollte hinsichtlich der technischen Arbeitsmittel wie Laptop und Mobiltelefon für die meisten Arbeitgeber kein großes Problem darstellen. Jedoch stellt sich die Frage, wie weit die Kostentragungspflicht geht: Internet- und Telefonanschluss, Büromobiliar, Strom, Heizung, anteilige Miete etc. Die Kosten die mit einem rechtsverbindlichen Homeofficearbeitsplatz verbunden sind, sind vielen Arbeitgebern schlichtweg zu hoch. 

 

Leider war die Politik nicht in der Lage, eine praxisgerechte Lösung zum Homeoffice anzubieten und insbesondere die damit verbundenen hohen Hürden abzusenken. Letztendlich sind auch während der Pandemie pragmatische Lösungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen gefordert. Das Homeoffice bietet eine gute Möglichkeit, Kontakte weiter zu beschränken und das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, zu minimieren. Die Chance sollte im Interesse aller genutzt werden. 

 Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit kann Kündigung rechtfertigen - 04.10.2020 

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Verletzung der Anzeigepflicht über Arbeitsunfähigkeit kann Kündigung rechtfertigen 

 

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 07.05.2020 (2 AZR 619/19) die Bedeutung einer rechtzeitigen Krankmeldung für das Arbeitsverhältnis deutlich herausgearbeitet und dabei für Arbeitnehmer einen überraschend strengen Maßstab angelegt. 

Gemäß §5 Abs. 1 S. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Diese Anzeigepflicht gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger dauert als ursprünglich angenommen. Auch dann ist der Arbeitnehmer zur unverzüglichen Information des Arbeitgebers verpflichtet. 

Eine Verletzung dieser Anzeigepflicht kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.  Eine verhaltensbedingte Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht zu erwarten ist und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in Abwägung der Interessen beider Seiten nicht zumutbar ist. 

Die Anzeigepflicht soll den Arbeitgeber in die Lage versetzen, sich auf das Fehlen des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers möglichst frühzeitig einstellen zu können. Dieses Bedürfnis besteht auch bei einer Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den zunächst mitgeteilten Zeitraum hinaus und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber noch zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich darauf vertrauen, der Arbeitnehmer werde, ohne eine anderslautende Anzeige, seine Arbeit nach Ablauf der mitgeteilten Dauer der Arbeitsunfähigkeit wieder aufnehmen. Nach § 5 Abs.1 S. 1 EFZG besteht gerade keine Pflicht zu bestätigen dass es bei der zuletzt attestierten Dauer der Arbeitsunfähigkeit verbleibt. Der Arbeitnehmer muss vielmehr gegebenenfalls ihre Fortdauer anzeigen. 

Wichtig ist, dass die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich zu erfolgen hat. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Der Arbeitnehmer darf sich also nicht beliebig Zeit mit der Information des Arbeitgebers lassen. 

Die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit kann an einen vom Arbeitgeber zur Entgegennahme von Krankmeldungen autorisierten Mitarbeiter gerichtet werden. Fehlt es an einer besonderen Regelung, ist ein Vorgesetzter oder die Personalabteilung zu benachrichtigen. Die Information anderer Personen (z.B. Pförtner, Empfangsmitarbeiter, Kollegen) ist nicht ausreichend. Der Arbeitnehmer kann diese zwar bitten, die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber zu übermitteln, dann agieren sie als Bote des Arbeitnehmers. Dieser trägt jedoch das Risiko der tatsächlichen, zutreffenden und rechtzeitigen Übermittlung an den Arbeitgeber durch diese Personen. 

 

Arbeitnehmer sind gut beraten, sich an die gesetzlichen Vorgaben der unverzüglichen Arbeitsunfähigkeitsmeldung zu halten und diese direkt dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung zu übermitteln. Sollten sie hiergegen verstoßen und der Arbeitgeber diesen Verstoß abmahnen, müssen sie im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen. 

Während das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht den Verstoß als nicht so gravierenden bewertet und der Kündigungsschutzklage stattgegeben haben, hat das Bundesarbeitsgericht dieses Urteil aufgehoben und einen deutlich strengeren Maßstab angesetzt, an das sich die Gerichte künftig halten müssen.   

Abfindung - 09.08.2020

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Abfindung – mit was kann ich rechnen?

 

 

Es ist die zentrale Frage, wenn es um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht: die Abfindung und deren Höhe. Gesetzliche Regelungen gibt es nur für zwei Fälle. Die in der Praxis höchst selten vorkommende Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsgericht aufgrund Antrags einer Partei sowie die Abfindung nach § 1a KSchG für den Fall der betriebsbedingten Kündigung, sofern der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet und der Arbeitgeber für diesen Verzicht eine Abfindung anbietet. Dieses beträgt dann 0,5 Bruttomonatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Auch diese gesetzliche Regelung hat sich in der Praxis nicht wirklich durchsetzen können. Nur selten wird von ihr Gebrauch gemacht.

 

Wesentlich häufiger anzutreffen sind dagegen Festlegungen zur Berechnung einer Abfindung im Rahmen von Sozialplänen. Ein Sozialplan wird von einem Arbeitgeber und dem Betriebsrat des Betriebs meist aus Anlass eines Stellenabbaus abgeschlossen. Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbaren im Rahmen eines Sozialplans, wer Anspruch auf eine Abfindung hat und wie sich diese berechnet. Die Berechnung orientiert sich meistens an den Gesichtspunkten Alter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst. Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung können ebenfalls Berücksichtigung finden.

Ferner spielt die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers eine wichtige Rolle. Sollte sich Letzterer in größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, kann er häufig keine umfangreichen finanziellen Mittel für den Sozialplan zur Verfügung stellen. Dann fallen die Abfindungen kleiner aus als bei Restrukturierungsprojekten großer Konzerne, die über eine entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit trotz allem verfügen.

 

Ansonsten gilt: die Abfindung ist Verhandlungssache und letztendlich das individuelle Ergebnis, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereit sind, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Das betrifft sowohl die Abfindung in einem Aufhebungsvertrag als auch die Abfindung, die vor Gericht bei Kündigungsstreitigkeiten in einem Vergleich festgelegt wird.

Lange Zeit galt vor Gericht die ungeschriebene Faustformel „½ Bruttomonatsgehalt x Jahre der Betriebszugehörigkeit“ für die Berechnung der Abfindung. Inzwischen orientiert sich auch bei Streitigkeiten vor Gericht die Abfindungshöhe vor allem an den Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage und dem Annahmeverzugslohnrisiko des Arbeitgebers. Annahmeverzugslohnrisiko bezeichnet das Risiko des Arbeitgebers Gehaltszahlungen nachzahlen zu müssen, erweist sich eine Kündigung im Nachhinein als unwirksam. Da Gerichtsprozesse mehrere Monate dauern, in komplizierten Fällen auch schon einmal bis zu 1,5 Jahren, steht der Arbeitgeber dadurch erheblich unter Druck, den Arbeitnehmer am Ende nicht nur weiterbeschäftigen zu müssen, sondern auch erhebliche Gehaltszahlungen für die Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und der Urteilsfindung, leisten zu müssen. Dieses Risiko veranlasst viele Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine entsprechend hohe Abfindung zu zahlen. 

Dass die Bereitschaft zur Zahlung einer hohen Abfindung steigt, sobald erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg haben wird, ist wenig überraschend. Letztendlich spielen auch die Größe und Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers eine Rolle. Von großen Unternehmen und Konzernen werden in der Regel höhere Abfindungen gefordert als von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Können sich die Parteien vor Gerichts so in punkto Abfindung so gar nicht annähern, helfen die Richter gerne mit vermittelnden Vorschläge zu einer Einigung. 

 

Für den Arbeitnehmer ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld beraten zu lassen und sich schon vor dem Einstieg in die Verhandlungen zu überlegen, welche Abfindungshöhe erzielt werden soll. Fachanwälte für Arbeitsrecht beraten nicht nur in Sachen Abfindungshöhe, sie helfen auch bei dem Aufbau einer optimalen Verhandlungsargumentation. Das Sprichwort „Gut vorbereitet ist schon halb gewonnen“ ist hier mehr als berechtigt. 

Kurzarbeit - 22.03.2020

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Kurzarbeit….was Arbeitnehmer dazu wissen müssen

Bereits in der Wirtschaftskrise 2008/ 2009 hat das Instrument der Kurzarbeit zahlreiche Arbeitnehmer vor einer Kündigung bewahrt. Dies soll die Kurzarbeit jetzt auch wieder in der Corona-Krise bewirken. Die Bundesregierung hat die Voraussetzungen für Kurzarbeit und den Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG) vereinfacht. 

 

KUG können alle Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit beantragen, die mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigen, der von Kurzarbeit betroffen ist. Mindestens 10% der Beschäftigten des Arbeitgebers müssen einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10% haben. Der Arbeitsausfall muss vorübergehend und unvermeidbar sein. Die derzeitigen Beschränkungen aufgrund der Corona Pandemie sowie die Folgen dieser Beschränkungen sind ein solches unvermeidbares Ereignis. 

 

Voraussetzung für die Beziehung von KUG ist ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, das trotz erheblichen Arbeitsausfalls ungekündigt fortbesteht. Gekündigte Beschäftigte können deshalb kein KUG erhalten, befristet Beschäftigte dagegen schon. Ebenso können Zeitarbeitsunternehmen für ihre Leiharbeiter KUG beantragen. 

 

Die Gewährung des KUG ist an die Versicherung in der Arbeitslosenversicherung gebunden, d.h. Beschäftigte, die nicht arbeitslosenversichert sind, erhalten kein KUG. Dies sind geringfügig Beschäftigte, Beschäftigte, die Regelaltersrente beziehen können, Selbständige sowie Beamte. Auch Beschäftigte im Krankengeldbezug haben keinen Anspruch auf KUG. 

 

KUG wird für eine Laufzeit von 12 Monaten gewährt und beträgt 60% des ausgefallenen Nettolohns. Beschäftigte, die ein Kind haben, erhalten 67%. Das KUG ist steuerfrei, jedoch werden die gezahlten Beträge bei der Ermittlung des persönlichen Steuersatzes berücksichtigt. Dies kann zu einem erhöhten Steuersatz führen, der auf das reguläre Einkommen bezahlt wird. Es ist möglich, dass der Arbeitgeber das KUG aufstockt. Solche Aufstockungszahlungen sind steuerpflichtig. Auch während des Bezugs von KUG bleibt die Sozialversicherung unverändert bestehen. 

 

Eine zur Zeit der Antragsstellung bereits bestehende Nebentätigkeit darf fortgeführt werden. Wird diese Nebentätigkeit erweitert oder wird eine neue Nebentätigkeit aufgenommen, ist das hieraus erzielte Entgelt vollständig auf das KUG anzurechnen. 

 

Kurzarbeit kann nur aufgrund einer Betriebsvereinbarung, die mit dem Betriebsrat abzuschließen ist, oder in betriebsratslosen Betrieben aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit jedem einzelnen Mitarbeiter eingeführt werden. Der Arbeitgeber kann dies also nicht einseitig festlegen. In der Regel wird es ratsam sein, der Kurzarbeit als Arbeitnehmer zuzustimmen, da andernfalls möglicherweise die betriebsbedingte Kündigung droht. 

 

Bevor Kurzarbeit vereinbart und KUG beantragt werden kann, müssen Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr abgebaut, Urlaubsansprüche für das laufende Jahr verplant werden. Ferner müssen Arbeitszeitguthaben auf Arbeitszeitkonten aufgebraucht werden. Negative Arbeitszeitsalden müssen nicht aufgebaut werden. 

Weihnachtsgeld - 29.11.2019

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Alle Jahre wieder….. Weihnachtsgeld

Der ein oder andere von Ihnen wird sich in den vergangenen Tagen über den zusätzlichen Geldeingang auf dem Konto gefreut haben. Das Weihnachtsgeld von Ihrem Arbeitgeber ist mit der letzten Gehaltszahlung eingetroffen. Andere wiederum gehen leer aus. Warum eigentlich? Wer hat Anspruch auf Weihnachtsgeld und woraus ergibt sich dieser?

 

Der Anspruch auf Weihnachtsgeld, das häufig auch als Jahressonderzuwendung, Gratifikation oder 13. Monatsgehalt bezeichnet wird, kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. Es gibt jedoch auch Arbeitgeber, die seit vielen Jahren ihren Beschäftigten ein Weihnachtsgeld zahlen, ohne dass dies irgendwo vertraglich festgeschrieben ist. Erbringt der Arbeitgeber eine solche Zahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren ohne einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu erklären, spricht man von einer betrieblichen Übung. Dann ist ein Anspruch auf Weihnachtsgeld in der Zukunft entstanden, ohne dass dieser schriftlich in einem Vertrag festgeschrieben ist.

 

Eine Kürzung oder gar komplette Streichung des Weihnachtsgeldes ist dem Arbeitgeber nur gestattet, wenn die vertragliche Regelung zum Weihnachtsgeld geändert wird. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen müssen also gekündigt werden. Während Tarifverträge nachwirken und so den Beschäftigten einen gewissen Bestandsschutz gewähren, muss bei Betriebsvereinbarungen über ein Weihnachtsgeld ein solcher nachwirkender Schutz in der Betriebsvereinbarung selbst vereinbart sein. An arbeitsvertragliche Vereinbarungen ist der Arbeitgeber ebenfalls gebunden und kann diese nicht einfach einseitig ändern. 

 

Aufgrund der guten Situation auf dem Arbeitsmarkt werden sicherlich einige von Ihnen mit einer neuen Arbeitsstelle liebäugeln. Gerade wenn dieser Wechsel zum Jahresende oder im ersten Quartal des neuen Jahres erfolgen soll, fragen sich viele, was passiert dann mit meinem Weihnachtsgeld? Muss ich das zurückzahlen? Zur Beantwortung dieser Frage muss geprüft werden, zu welchem Zweck der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld zahlt. Möchte er damit nur die Betriebstreue der Arbeitnehmer honorieren, sind Bindungs- und Rückzahlungsklauseln in einem engen Rahmen nach wie vor zulässig. Soll dagegen die Arbeitsleistung auch oder ausschließlich honoriert werden, sind solche Bindungsklauseln in Arbeitsverträgen unzulässig. In Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sind sie dagegen nach wie vor erlaubt. Es lohnt sich also genau hinzuschauen und sich im Zweifel vor der Kündigung beraten zu lassen.

Anspruch Jahresurlaub - 07.08.2019

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Arbeitgeber müssen auf Verfall des Urlaubs hinweisen

Der Anspruch auf den Jahresurlaub ist grundsätzlich auf das Urlaubsjahr bezogen. Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des Folgejahres ist nur möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe (z.B. Krankheit) dies rechtfertigen, § 7 Abs. 3 BUrlG. 

Liegen solche Gründe nicht vor, verfällt der Urlaub zum Ende des Kalenderjahres. So die gesetzliche Regelung.

 

Nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verfiel nicht genommener Urlaub unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch einen ausdrücklichen Hinweis zuvor in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen. Diese Rechtsprechung hat das BAG nunmehr geändert (BAG19.02.2019 – 9 AZR 423/16 und BAG 19.02.2019 -9 AZR 541/15). Arbeitgeber sind ab sofort verpflichtet, ihre Arbeitnehmer auf den Verfall von nicht genommenem Urlaub zum Ende des Kalenderjahres bzw. zum Ende des Übertragungszeitraumes hinzuweisen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer – ggf. förmlich – dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub anderenfalls am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraumes verfällt. Verletzt der Arbeitgeber diese Hinweispflicht, erlischt der nicht in Anspruch genommene Urlaub nicht am Ende des Kalenderjahres. Der Urlaubsanspruch besteht im neuen Kalenderjahr fort und tritt zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der für das Folgejahr am 1.1. entsteht.

 

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts haben ferner betont, dass abstrakte Angaben zum Verfall des Urlaubs im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Betriebsvereinbarung nicht ausreichen, um der konkreten und transparenten Hinweispflicht nachzukommen. Arbeitgeber sind nunmehr gut beraten, ihre Personalprozesse um die Hinweispflicht zum Urlaub zu ergänzen, wenn sie ein jahrelanges Ansammeln von Urlaubsansprüchen verhindern wollen.

 

Wichtig ist, dass diese Rechtsprechung nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt, nicht jedoch für den darüber hinausgehenden vertraglichen Urlaubsanspruch. Sofern sich der Urlaubsanspruch aus einem Tarifvertrag ergibt, gelten die neuen Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts entsprechend. Die Tarifvertragsparteien können jedoch im Tarifvertrag eine andere Regelung vorsehen. Für deren Wille, den Verfall des Urlaubs abweichend von den Regelungen des BUrlG regeln zu wollen, müssen jedoch deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Da es sich um eine neue Rechtsprechung des BAG handelt, dürften die meisten Tarifverträge einen solchen abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien nicht enthalten, so dass in der Regel von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf den Tarifurlaub auszugehen ist.